Gewitterarten, Entstehung und Begleiterscheinungen
Zu jedem Zeitpunkt gibt es nahezu 2000 aktive Gewitter auf der Erde. Die meisten davon sind Wohltäter, die Regen auf die Felder und in die Wasserspeicher bringen. Nur ein kleiner Anteil (weniger als 1 Prozent) von diesen Gewittern erreichen die Klasse von schweren Gewittern. Ein schweres Gewitter ist definiert als ein Gewitter, das Hagel von mindestens 2cm Durchmesser oder starke Abwinde von mindestens 80 km/h produziert. Ein noch kleinerer Anteil von diesen schweren Gewittern lassen Tornados entstehen.

Bedingungen für die Entstehung von Gewittern
Alle Gewitter, egal ob schwer oder nicht, benötigen drei Bedinungen um überhaupt entstehen zu können. Die erste Bedingung ist Feuchtigkeit in den unteren und mittleren Schichten der Atmosphäre. Wenn Luft in dem Aufwind eines Gewitters aufsteigt, kondensiert die Luftfeuchtigkeit zu kleinen Wassertropfen, wodurch die Wolken und eventuell auch Niederschlag gebildet werden. Wenn die Feuchtigkeit kondensiert, wird Wärme an die Luft abgegeben. Warme Luft hat eine geringere Dichte als kalte, und steigt daher in der kalten Umbebung nach oben. Die zusätzliche Kondensationswärme bewirkt daher, daß die Luft kontinuierlich nach oben steigt.
Die zweite Voraussetzung für die Gewitterentstehung ist Labilität. Wenn eine Luftmasse labil ist, wird Luft, die erst einmal nach oben gezwungen wird, kontinuierlich nach oben steigen. Eine labile Luftmasse besteht gewöhnlich aus relativ warmer und feuchter Luft nahe der Erdoberfläche und relativ kalter, trockener Luft in den mittleren und oberen Bereichen der Atmosphäre. Sobald die Luft aus der tiefen Luftschicht ersteinmal nach oben steigt, hat sie eine geringere Dichte als die umgebende Luft und steigt kontinuierlich weiter nach oben. Dieser Prozess wird noch durch die erwähnte Kondensationswäre unterstützt. Die Luft wird so lange nach oben steigen, bis sie kälter und dichter ist als die Umgebungsluft.
Die dritte Bedingung ist ein Hebungsprozeß an der Erdoberfläche. Hebung ist ein Mechanismus, der den Aufstieg der warmen, feuchten Luft in Gang setzt. Für die Hebung gibt es verschiedene Ursachen. Meist wird sie durch unterschiedliche Erhitzung verursacht. Wenn die Sonne die Erdoberfläche erhitzt, werden Teile der Oberfläche und der darüber liegenden Luftmasse stärker erhitzt als andere. Diese warmen Luftpakete sind weniger dicht als die Umgebungsluft und steigen auf. Wenn die Luft ausreichend labil und feucht ist, kann sich ein Gewitter entwickeln. Die Ursache für die Hebung kann auch mechanischer Natur sein. Feuchte Luft, welche über die Berghänge strömt wird zum Aufsteigen "gezwungen", sodass besonders über den Bergen das Gewitterriskio immer erhöht ist!
Der Lebenszyklus eines Gewitters:

1. Jugendstadium: Alle Gewitter durchlaufen einen Lebenszyklus der in drei Stufen unterteilt werden kann. Die Phase der Bildung, auch die Cumulusphase, Jugendstadium oder Phase der türmenden Cumulus genannt, wird durch Aufwinde charakterisiert.
2. Reifestadium: Wenn sich der Aufwind weiterentwickelt, wird Niederschlag in den oberen Teilen des Gewitters erzeugt, so daß ein Abwind in Gang kommt. Zu dieser Zeit kommt das Gewitter in das Reifestadium. Das Reifestadium wird durch die gleichzeitige Existenz von Auf- und Abwinden innerhalb des Gewitters charakterisiert.
3. Altersstadium: Wenn der Abwind und die regengekühlte Luft den Boden erreicht, fließt die gekühlte Luft entlang des Erdbodens aus dem Gewitter heraus und formt eine Böenfront. Gewöhnlich sind die Winde im Zusammenhang mit dieser Front nicht besonders stark, aber in Extremfällen kann ein Downburst einen sehr starken Wind hervorrufen. Eventuell wird starker Niederschlag erzeugt und das Gewitter wird dann von Abwinden dominiert. Am Boden bewegt sich die Böenlinie in großer Entfernung von dem Gewitter und schneidet den Aufwind des Gewitters ab. Damit beginnt die Endphase des Gewitters.
-> Auch wenn dieses Gewitter verschwindet, kann seine Böenfront die Entstehung von neuen Gewitterzellen bewirken, da die Böenfront warme, feuchte Luft anhebt.

Gewitterarten:
Man unterscheidet folgende vier Gewittertypen:
- Einzelzellengewitter
- Mehrfachzellencluster
- Mehrfachzellenlinien (Squallines)
- Superzellengewitter
Mit den beiden Mehrfachzellen-Gewitterkategorieren haben wir insgesamt vier grundlegende Arten von Gewittern im Spektrum. Die Superzelle erzeugt immer extreme Wettererscheinungen, wogegen die anderen Arten manchmal leichte, manchmal schwere Gewitter erzeugen. Wir wollen unterstreichen, daß der Begriff "schweres Gewitter" eine Definition des Nationalen Wetterdienstes ist, wonach ein schweres Gewitter eine der folgenden Eigenschaften erfüllen muß: Hagel mit 2cm oder größerem Durchmesser, Downbursts von mindestens 80 km/h oder Tornados.
Bevor wir näher auf die einzelnen Arten von Gewittern eingehen, ist es wichtig zu betonen, daß die wirklichen Gewitter sich nicht immer genau in die Kategorien pressen lassen, die wir gerade beschrieben haben. Die Forschung hat vorgeschlagen, daß die grundlegende Einteilung von Gewittern nur zwischen Superzellen und allen sonstigen Gewittern, den sogenannten gewöhnlichen Gewitterzellen, erfolgen sollte.
Gewitter, die keine Superzelle sind, bestehen aus einer oder mehreren gewöhnlichen Zellen, und wir haben beschrieben in welchen drei Arten diese gewöhnlichen Zellen vorkommen können: als isolierte Zelle, als Gewittercluster und als Linie von Zellen (Squalline). Obwohl die wirklichen Gewitter auch Zwischenstufen der verschiedenen Arten zeigen können, ist dieses Schema dennoch nützlich. Der Grund liegt darin, daß die Intensität der Wettererscheinungen, die von einem Gewitter ausgehen, von der Kategorie abhängig ist, zu der es am besten passt. Wir müssen auch hervorheben, daß ein Gewitter seinen Typ mehrmals während seiner Existenz wechseln kann.
1.) Einzelzellengewitter
Einzelzellengewitter sind die kleinsten vorkommenden Gewitter. Die Lebensdauer entspricht etwa 20-60min.
Wärmegewitter sind häufig Einzelzellen. Bei den Einzelzellengewittern steht eine einzelne Gewitterzelle im Mittelpunkt. Sie entstehen wenn der Wind mit der Höhe nur geringfügig zunimmt. Einzelzellengewitter haben meist nur schwache Gewitter zur Folge.
Das Einzelzellengewitter durchläuft diese Stadien:
- Wachstumsstadium:
In diesem Zustand wird ein Auwind durch die Freisetzung der Labilitätsenergie erzeugt,
wobei als erstes ein Cumulus congestus entsteht. Falls die Wolke in den oberen Abschnitten verreist
entsteht die eigentliche Gewitterwolke (Cumulonimbus). Aus der Wolke fällt kein Niederschlag, weil
noch keine Abwinde vorhanden sind, wobei aber in seltenen Fällen schwache Tornados auftreten können.
- Reifestadium:
in diesem Zustand finden sich sowohl Aufwinde als auch Abwinde vor. Aufgrund fallenden
Niederschlags entsteht Abwind der die Kalte Luft aus oberen Schichten nach unten leitet. Durch die
schwache Windscherung kann sich der Auf- und Abwind nicht voneinander lösen und der Niederschlag fällt
auch in den Aufwind zurück, womit er diesen abschwächt. Es setzen Niederschläge wie Regen, Graupel oder
leichten Hagel am Boden ein. Zu Beginn könneen auch leichte Tornados auftreten. Oft ist der Niederschlag
am Anfang der Reifephase am intensivsten. Während dieser Phase treten die meisten Blitze auf.
- Zerfalls- oder Auflösungsstadium:
In diesem Zustand findet nur noch ein Abwind statt, wobei die Zelle sich ausregnet. Die Cululonimbuswolke
löst sich auf, jedoch kann der verreiste Wolkenschirm noch über eine lange Zeit weiter bestehen. Der kalte Abwind einer zerfallenden Gewitterzelle bewirkt häufig ein Auflösen aller Quellwolken in der näheren Umgebung des Abwindes, sodass dort keine weiteren Gewitter entstehen können.
2.) Impulsgewitter
Das Impulsgewitter stellt eine Sonderform des Einzelzellengewitters dar und tritt auf wenn verhältnismäßig viel Labilitätsenergie vorhanden ist, aber jedoch eine sehr geringe Windscherung dominiert.
Das Impulsgewitter hat die Eigenschaft, dass es kräftiger als eine normale Einzelzelle. Dabei kann es schwache Tornados, Hagel und Downbursts (starke Fallböen, die am Boden Orkanwinde verursachen können) auslösen. Abgesonderte Einzelzellen sind selten, da mehrere Gewitterzellen meist nebeneinander auftreten. Auf dem rechten Bild handelt es sich um ein ausgewachsenes Impulsgewitter, welches am 11.07.2008 im Bereich Mitterfels-Haibach (Lkr. Straubing-Bogen) für schweren Hagelschlag sorgte!
3.) Mehrfachzellen (Multizellen)
Multizellen treten meist haufenförmig als Multizellen-Cluster oder selten linienartig als Multizellen-Linie oder Squall Line in Erscheinung. Das Multizellen-Cluster, der häufigste Typ der drei Gewittergrundformen (Einzel-, Multi-, Superzelle), bildet sich bevorzugt bei geringer Änderung der Windrichtung mit der Höhe sowie mäßiger bis starker Zunahme der Windgeschwindigkeit mit der Höhe und besteht aus einer Gruppe von Einzelzellen - vorwiegend 2 bis 4 - in unterschiedlichen Entwicklungsstadien.
Der Durchmesser so eines Multizellen-Clusters weist einige Dekakilometer (horizontale Ausdehnung ca. 15 - 30 km) auf, neue Zellen entstehen alle 5 - 10 Minuten und bis zu ca. 30 Zellen können sich nacheinander formen. Die typische Lebensdauer einer einzigen Zelle dieses Gewitterkomplexes beträgt etwa 10 bis 60 Minuten.
Multizellen können schwere Wettererscheinungen in Form von Downbursts, mittelgroßem Hagel, Starkregen (mit Überschwemmungen) und schwachen Tornados verursachen. Sie bedeuten für die Öffentlichkeit eine mäßige und für die Luftfahrt eine mäßige bis hohe Gefahr.
Schematische Darstellung einer Multizelle: | Multizellen im Bayerischen Wald am 03.07.2008: |
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4.) Superzellen
Bei Superzellen handelt es sich eigentlich um Einzelzellen, die aber durch ihren hohen Grad an organisierter Struktur ausgezeichnet sind. Sie können auch in einen Zell-Cluster oder eine Böenlinie eingebettet sein. Wesentliches Merkmal ist eine Rotation des Aufwindbereiches, die so genannte Mesozyklone. Dabei überwiegt die zyklonale Rotation, auf der Nordhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn, auf der Südhalbkugel umgekehrt. Ursächlich ist eine vertikale Windscherung, also eine Änderung der Windgeschwindigkeit und -richtung mit der Höhe. Meistens nimmt dabei der Wind unter Rechtsdrehung mit der Höhe zu. Die Corioliskraft hat keinen direkten Einfluss hierauf, da Mesozyklonen zu kleinräumig sind. Indirekt spielt sie aber insofern eine Rolle, als das großräumige Windfeld, in das die Mesozyklone eingebettet ist, durch die Corioliskraft - neben Druckgradient, Zentrifugalkraft und Bodenreibung – mit bestimmt wird. Die erwähnte Rechtsdrehung des Windes mit der Höhe ist ein solcher Effekt.
Kennzeichen einer Superzelle:
Von einer Superzelle spricht man definitionsgemäß, wenn eine hochreichende persistente Rotation des Aufwindbereichs vorliegt (= Mesozyklone). Hochreichend heißt, dass mindestens ein Drittel der Aufwinde rotiert, und persistent, dass die Rotation mindestens so lange andauert wie ein Konvektionszyklus. Das sind gewöhnlicherweise etwa 10 bis 20 Minuten. Per Definition muss allerdings mindestens 30 Minuten Rotation vorhanden sein, damit man von einer Superzelle sprechen kann.
Weitere Kennzeichen einer Superzelle sind neben dem Vorhandensein einer Mesozyklone eine räumliche Trennung der Auf- und Abwindbereiche. Dabei ist der Aufwind durch die vertikale Geschwindigkeitszunahme geneigt, meistens in Richtung des Windes im mittelhohen Niveau (ca. 5 km). Der im Abwindbereich ausfallende Niederschlag stört somit nicht durch seine Verdunstungskühlung die Zufuhr feuchtwarmer Luft in den Aufwindbereich.
Schematische Darstellung einer Superzelle: | Superzellengewitter im Bayerischen Wald am 26.05.2009: |
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Es werden anhand der Niederschlagsintensität drei Typen von Superzellen unterschieden:
> LP-Superzelle (engl. low precipitation supercell) - hier ist das Niederschlagsfeld meistens klein und auf den Zellkern beschränkt. Dort kann aber sehr großer Hagel auftreten, während Tornados nur selten auftreten. Dieser Typ tritt häufig in den westlichen Great Plains der USA an der Grenze feucht-warmer Luft aus dem Golf von Mexiko zu trocken-heißer Wüstenluft aus dem Südwesten der USA auf. In Mitteleuropa ist er recht selten.
> Klassische Superzelle (engl. classic supercell) - die häufigste und typische Form von Superzellen. Das Niederschlagsfeld ist ausgedehnter als im vorigen Fall und der Zellkern mit den stärksten Niederschlägen (Starkregen und Hagel) wickelt in der Regel hakenförmig um die Mesozyklone (Hakenecho oder engl. hook echo). Tornados treten bei diesem Typ wesentlich häufiger auf als bei der LP-Superzelle.
> HP-Superzelle (engl. high precipitation supercell) - die niederschlagsintensivste Form von Superzellen. Das Niederschlagsfeld ist sehr ausgedehnt und es kommt über einem recht großen Gebiet zu Starkregen oder Hagel. Der Zellkern mit den intensivsten Niederschlägen weist häufig eine nierenförmige Struktur auf. Das Niederschlagsgebiet umschließt die Mesozyklone größtenteils und verdeckt damit manchmal die Sicht auf einen allfälligen Tornado!
Daneben gibt es noch die Sonderform flacher Superzellen (low-topped supercell, mini supercell) geringerer Höhenerstreckung, aber mit persistenter Mesozyklone. Diese treten in der Regel in Kaltluftmassen auf. Wichtig ist auch, dass eine Superzelle keine elektrische Aktivität (Blitze) zeigen muss, auch wenn die meisten Superzellen nicht nur als Schauer, sondern auch als Gewitter auftreten.
Die Unterschiede einer Superzelle gegenüber einer normalen Zelle:
> Eine Superzelle ist im Allgemeinen bedeutend langlebiger, sie lebt manchmal mehrere Stunden. Ihre räumliche Ausdehnung kann beträchtlich sein, ist aber nicht notwendig größer als die einer Einzel- oder Multizelle.
> Die Zugrichtung von Superzellen zeigt meistens ein Ausscheren nach rechts (auf der Südhalbkugel nach links) gegenüber dem steuernden Wind im mittleren Niveau der Troposphäre, der die Zugrichtung normaler Gewitterzellen bestimmt.
> Es treten deutlich intensivere Wettererscheinungen und Ausprägungen der Wolke und auch spezielle Wolkenformen auf. Hierzu zählt vor allem die so genannte Wallcloud, die als Absenkung der regenfreien Wolkenbasis unter dem rotierenden Aufwind in Erscheinung tritt.
> Die intensiven Begleiterscheinungen machen Superzellen zur gefährlichsten Art von Gewitterzellen. Sie sind oft begleitet von Wolkenbrüchen, großem Hagel über 4 cm Durchmesser und schweren Fallböen (Downbursts). Bei ca. 10–20 % aller Superzellen kommt es zur Bildung mesozyklonaler Tornados.
Nahezu alle sehr starken oder verheerenden Tornados (F3 und darüber auf der Fujita-Skala) gehen aus Superzellen bzw. den zugehörigen Mesozyklonen hervor. Schwächere Tornados (F0 bis F2) können sowohl mesozyklonalen als auch nicht-mesozyklonalen Ursprungs sein.
Superzelle mit Tornadobildung am 08.06.08 im Vorderen Bayerischen Wald: | Abendliche Superzelle aus der Ferne im Dreiländereck D-CZ-AT: |
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